Ernte – Erde – Ehre
Die Erntezeit - der Übergang zwischen Sommer und Herbst - wird in der chinesischen Lehre der 5 Wandlungsphasen „Wuxing“ der Qualität der Erde zugeordnet. Somit ergibt sicheine fünfte Jahreszeit, deren Existenz absolut berechtigt ist: Intuitiv kennen wir den Unterschied, wenn wir das „Lebensgefühl“ Mitte August mit dem im Juni oder im späten Herbst vergleichen.
Die Erde nährt und trägt uns vom Anbeginn der Zeit. Jeden Spätsommer öffnet sie ihre Kornkammer und bietet uns besonders großzügig ihre Schätze an.
Mutter Erde wird zur Erntezeit ganz besonders geehrt, diese Tradition ist archetypisch und existiert in allen Völkern der Welt. In Südamerika gibt es beispielsweise einen schönen Ausdruck: „Die Erde öffnet ihren Mund.“
Mund und Nahrung bringen uns gleich zum Verdauungssystem, welches dem Element Erde in der Traditionellen Chinesischen Medizin zugeordnet ist. Seine „Hauptorgane“ sind Magen, Milz und Bauchspeicheldrüse.
Erd-Qi im Körper
Im Verdauungssystem wird aus Nahrung „das nachgeburtliche Qi“ gewonnen – damit wird etwa die Energie für alle alltäglichen Prozesse, Blut und Lebenskraft bezeichnet. In der TCM werden Magen und Milz deshalb als „die Vorfahren der Organe“ geehrt.
Wenn der „Gelbe Hof“ (so nennt die Chinesische Medizin den Bereich von Milz und Magen) stark und gesund ist, funktioniert unser Stoffwechsel richtig: Das Nahrungs-Qi wird gut umgewandelt und im ganzen Körper verteilt, sodass alle Zellen, Muskeln und Strukturen genährt werden. Dies wärmt, belebt und kräftigt den Körper.
Ist dieses System geschwächt, zeigen sich z.B. Müdigkeit, Blähungen, schwache Verdauung, innere Kälte, Stoffwechselstörungen, das Gefühl von Schwere und Langsamkeit. Selbst wenn wir qualitativ hochwertige Lebensmittel zu uns nehmen, könnten sie bei einem schwachen Erde-Qi nicht gut zur Energie verarbeitet werden – der Organismus „hungert“ am vollen Tisch.
Auch das Immunsystem, die Muskulatur und die „Tragfähigkeit“ des Bindegewebes hängen eng mit „der inneren Erde“ zusammen.
Erd-Qi und die Psyche
Doch wir verdauen nicht nur die stoffliche Nahrung. Mit der Qualität der Erde ist auch die Kraft und Klarheit der Gedanken (chin. „Yi“) verbunden. Magen und Milz sind für das „mentale Verdauen“ verantwortlich: Informationen aufnehmen, ordnen, verinnerlichen.
Ist das Erd-Qi geschwächt, kreisen die Gedanken unaufhörlich, Sorgen und Grübeln erschöpfen die innere Kraft des Magen-Milz Systems. Wir verlieren Klarheit und Stabilität, fühlen uns ungewiss, unsicher oder abhängig.
Es ist faszinierend, dass auch das Adjektiv „mulmig“, das solche Empfindungen beschreibt, bezieht sich ursprünglich auf die Qualität des Bodens.
Ein gesundes Erde-Qi schenkt uns also einen festen Boden unter den Füßen, und somit innere Ruhe, Konzentrationsvermögen und das Gespür für den natürlichen Rhythmus zwischen Arbeit, Erholung und schöpferischem Tun – vergleichbar mit den Jahreszeiten, die ihren Einzug auf der Erde halten.
Viele Menschen vermissen heutzutage dieses wohltuende Gefühl: in der eigenen Mitte stehen, ehrlich mit sich selbst sein, Gleichmut gegenüber äußeren Geschehnissen entwickeln und aus einer stabilen Basis heraus leben.
Die Erde stärken: innere Mitte im Qigong
Wie können wir die Qualität der Erde nähren und stärken?
Qigong ist eine der wirksamsten Methoden, die Stabilität im Körper und Ruhe im Geist entstehen lässt. Und wenn wir in der Stille der Praktik unsere innere Unruhe ehrlich bemerken, so beobachten wir sie geduldig und lernen, nach und nach aufzulösen.
• Übungen für die Körpermitte fördern Magen und Milz und stärken die Verdauungskraft.
• Bewusstes Stehen und das Spüren des Bodens unter den Füßen schenken Erdung.
• Innere Aufmerksamkeit im Unteren Dantian (im Bauch) nährt die innere Energie und stabilisiert den gesamten Organismus.
So wirkt Qigong wie eine sanfte Rückkehr zur eigenen Mitte. Es nährt die körperliche Kraft, beruhigt den Geist und schenkt emotionale Stabilität – genau die Qualitäten, die wir in einer hektischen Zeit so dringend brauchen!
„Stark in der eigenen Mitte sein und aus ihr heraus handeln“ – leichter gesagt als getan, aber wir befinden uns auf dem Weg der Meisterschaft. 😊🌄