Warum Qigong in der Schwangerschaft?

Nataliya Urban übt Qigong in der Schwangerschaft

Als ich mit 23 mit meinem ersten Kind schwanger wurde, waren meine Lebensumstände alles andere als erfreulich. Ich war erst vor wenigen Monaten nach Deutschland umgezogen, und, obwohl ich die Sprache bereits fließend sprach, geriet ich in ein soziales Vakuum. Ich hatte nicht nur keine Familie in der Nähe, sondern auch keinen Freundeskreis, keine Arbeitskollegen, keine alltäglichen Beziehungen, die für unser gesundes Lebensgefühl so wichtig sind.


Ich fühlte mich komplett entwurzelt, und doch musste ich „Früchte tragen“.


Oben drauf kam die Tatsache, dass ich damals schon wusste, wie stark sich die Lebensumstände und Einstellungen der Eltern auf die Entwicklung ihres ungeborenen Kindes auswirken. Dieses Wissen wurde zu einem Nährboden für Unsicherheit und Schuldgefühle: WAS tue ich in dieser misslichen Situation meinem Kind an? 


Es war klar: Ich musste etwas unternehmen, um nicht komplett in jener Verlorenheit unterzugehen, und auch mein ungeborenes Baby dort „herausholen“!


Welch glücklicher Umstand, dass ich bereits mit 16, während meines Fremdsprachenstudiums, mit Qigong angefangen hatte! 

An meiner Uni in Russland war Sportunterricht verpflichtend, und Qigong galt als „Sportangebot“. Zweimal pro Woche ging ich zur Qigong- und zweimal zur Taijiquan-Stunde, und am Wochenende veranstaltete meine erste Lehrmeisterin oft zusätzliche Seminare und Workshops.

Von diesem „vollen Programm“ profitierte ich mehrere Jahre lang und lernte so viel ich konnte.


Nach meinem Umzug nach Dresden 2010 hatte ich diesen reichhaltigen Qigong-Hintergrund, war aber nun auf mich allein gestellt. 

Nataliya Urban übt Qigong in der Schwangerschaft

Ich recherchierte viel und suchte Austausch, wo ich nur konnte. Es gab an sich sehr wenig Information über Qigong für Schwangere, meist ging es um Yoga oder Bauchtanz.

Eine weitere beliebte Aussage war: Schwangere sollten am besten nichts (zumindest nichts „neues“) tun, sich ausruhen und schonen. Dies schien mir per se absurd (als ob Schwangere krank wären), und biss sich natürlich mit meinen vorherigen positiven Qigong-Erfahrungen.


Ich machte weiter die Übungen, die ich bereits gekannt hatte.

Der „Große Baum“ (eine Meditation im Stehen aus Zhong Yuan Qigong) brachte mir Schritt für Schritt das lang ersehnte Gefühl, einen festen Boden unter den Füßen zu haben.

Es heißt, Du würdest zu einem riesengroßen kosmischen Baum („einem Weltenbaum“), dessen Wurzeln tief in die Erde hineinwachsen, und die Zweige weit ins Universum emporragen. Das lässt sehr viel Energie (Qi) in den Körper aufnehmen. Verglichen mit der Größe dieses zauberhaften Baums, würden alle Sorgen und Probleme schrumpfen und klein ausfallen... 


Nach und nach lernte ich auch neue, sehr schöne und wirksame Übungen, um die Wirbelsäule und das Becken zu befreien und den Atem fließen zu lassen.

Meine andere wunderbare Lehrerin, Dr Zuzana Sebkova-Thaller, hatte die positiven Wirkungen des Qigong in der Schwangerschaft bereits in den 90-er Jahren in Deutschland medizinisch erforscht und viel darüber publiziert (davon erfuhr ich erst Jahre später). 


Ein weiteres „Know-how“ ist die Auswirkung der 5 Energiequalitäten auf das Leben einer Frau, insbesondere in der Schwangerschaft!

Die uralte chinesische Lehre des „Wuxing“ liefert sehr interessante Einblicke in die Funktionsweise der inneren Organe und ihrer Verbindung mit unseren seelischen Zuständen. 


Die „Hauptorgane“ der 5 Organsysteme hängen direkt mit Produktion, Speicherung und Verteilung vom Blut zusammen.

Wir Frauen sind „blutgesteuert“ unser Leben lang, denn genau diese Substanz (die zur weiblichen Qualität „Yin“ gehört) bestimmt sozusagen die wichtigsten körperlichen Ereignisse in unserem Leben: Menstruation, Schwangerschaft, Geburt, Wechseljahre. 


Befindet sich das Energiesystem einer Frau im Ungleichgewicht, beginnen sich die inneren Organe „miteinander um das Blut zu streiten“, werden oft unterversorgt und begünstigen dadurch negative Emotionen. Laut daoistischer Naturphilosophie hängen diese sehr eng mit dem Zustand unserer Organe zusammen: 

Man könnte sagen, die Organe „produzieren“ bestimmte Emotionen. Zum Beispiel, schwache Nieren werden sich in permanenten Angstzuständen zeigen, oder schwache Lungen in Traurigkeit und dem Gefühl, isoliert und verlassen zu sein. 


Natürlich betrifft es nicht nur die Mutter - der Zustand wird auch auf das Baby übertragen, denn das Kind „sieht die Welt mit ihren Augen“. 

Nataliya Urban übt Qigong in der Schwangerschaft

Da ich während meiner 2 ersten Schwangerschaften eine in Deutschland übliche zweijährige Ausbildung zu Qigong-Kursleiterin durchlief, bat es sich an, die Abschlussarbeit zum Thema „Qigong in der Schwangerschaft“ zu schreiben. So konnte ich mein Wissen zusammenzufassen und einige Kurskonzepte entwickeln.

Gesundheitlich ging es mir dank den Übungen sehr gut, und meine natürliche Feinfühligkeit ließ mich die Auswirkungen der Übungen auf das Körpersystem gut erspüren. Selbst in der Geburt (ich habe drei natürliche Geburten gehabt) machte ich die eine oder andere "mentale Notiz" über den Fluss des Qi. 

Die Abschlussprüfung in meiner Ausbildung fand übrigens exakt 1 Woche vor der Geburt meiner zweiten Tochter statt.

Qigong und Schwangerschaft waren für mich sehr miteinander verwoben ;) 

Während der Schwangerschaft mit meiner dritten Tochter hatte ich bereits mehr Rückenwind erhalten und unterrichtete hingebungsvoll. Am Ende der Schwangerschaft unternahmen wir eine wunderbare und abenteuerreiche Reise nach China. 


Um die Geschichte abzurunden: es war mein ältester Sohn, der mich damals auf den Gedanken brachte, als Qigong-Lehrerin selbständig zu werden!

Zwar war die fernöstliche Praktik längst zu meiner Leidenschaft (und meinem Retter in Not) geworden, und doch fehlte mir der Mut, mich auf die Ungewissheit der Selbständigkeit einzulassen. Ich hatte keine Erfahrung damit, und in einem fremden Land ist es umso schwieriger, alle Regeln und Gesetzmäßigkeiten zu ergründen. Jetzt bin ich dort, wo ich bin – nicht trotz, sondern dank meinen drei Kindern.

 

Somit hat sich der Kreis geschlossen: mit Qigong half ich meinem Baby und mir in der Schwangerschaft, und mein Sohn half mir, auf diesem Weg zu bleiben.